„Der Weg zum Glück besteht darin, sich um nichts zu sorgen, was sich unserem Einfluss entzieht.“ (Epiktet)
„Bei mir in der Abteilung läuft soweit alles gut. Wir haben genug zu tun, verstehen uns aber prima, so dass auch der Humor nicht zu kurz kommt“, erzählt Julia. „Was mich allerdings aufregt, ist die Situation in der Nachbarabteilung. Dort ist üble Stimmung und neulich hat eine Mitarbeiterin in der Teambesprechung sogar geweint. Daraufhin meinte die Führungskraft – so wurde mir erzählt – lapidar: „Sie soll sich nicht so anstellen!“ Das geht doch nicht! So geht man doch nicht mit den Leuten um…“, empört sich Julia.
Unser Gehirn, genauer gesagt unser Verstand, ist so gestrickt, dass er nach Problemen Ausschau hält, die er lösen kann. Und wenn wir gerade kein Problem haben, schaut er, ob sich irgendwo anders eines finden lässt. Wenn wir dann, wie im Beispiel von Julia, in die Nachbarstation oder in die Welt hineinblicken, findet sich immer ein Problem. Die Frage ist nur: Ist es mein Problem?
Ganz aufgeregt kam ein Mann zum Philosophen Sokrates gerannt: „Ich muss dir etwas erzählen. Dein Freund …“ Der Weise unterbrach ihn: „Halt!“ Der Mann war überrascht. „Hast du das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe gesiebt?“, fragte der Weise. „Drei Siebe?“, wiederholte der Mann verwundert. „Richtig, drei Siebe! Lass uns prüfen, ob das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe passt. Das erste Sieb ist die Wahrheit. Ist das wahr, was du mir erzählen willst?“ „Ich habe es selber erzählt bekommen und …“ „Na gut. Aber sicher hast du es mit dem zweiten Sieb geprüft. Das zweite Sieb ist das der Güte. Wenn es nicht sicher wahr ist, was du mir erzählen möchtest, ist es wenigstens gut?“ Zögernd antwortete der Mann: „Nein, im Gegenteil …“ „Dann”, unterbrach ihn der Weise, „lass uns auch noch das dritte Sieb anwenden. Ist es wichtig und notwendig, es mir zu erzählen, was dich so aufregt?“
„Wichtig ist es nicht und notwendig auch nicht unbedingt.“ „Also mein Freund“, lächelte der Weise, „wenn das, was du mir erzählen willst, weder wahr noch gut noch notwendig scheint, so lass es lieber sein und belaste dich und mich nicht damit.“ (überliefert)
Ich frage Julia: „Was löst die Situation in der Nachbarabteilung in dir an Gefühlen aus?“ Sie überlegt: „Ich ärgere mich und bin empört. So geht man nicht mit Mitarbeitern um! Und ich fühle meine Ohnmacht.“ – „In wessen Spielraum befindest du dich gedanklich? In deinem eigenen?“ – „Nein. Ich befinde mich im Spielraum meiner Kollegen.“ – „Kannst du etwas beeinflussen?“ – „Nein, leider nicht.“ Ich frage Julia: „Ist es wahr? Ist es gut? Ist es relevant für dich?“ – „Nicht wirklich. Aber ich möchte doch auch nicht gleichgültig sein! Wenn es mir egal ist, wie die miteinander umgehen, ist es doch egoistisch von mir.“ – „Die Frage ist, welche emotionalen Früchte es trägt – und nur darum geht es. Wenn du sagst, dass die Situation in der Nachbarabteilung dich frustriert: Was machst du mit deinem Frust? Bekommen ihn deine Mitarbeiter*innen in deiner Abteilung zu spüren?“ – „In der Tat merke ich, dass ich meinen inneren Frust in meine Abteilung trage und manchmal übel gelaunt bin, wenn ich wieder eine Geschichte höre.“ – „Spätestens dann ist es wichtig, dich zu fragen: „Was ist meins? Wofür bin ich verantwortlich. Und wo darf und sollte ich mich abgrenzen?“
Im Gespräch resümiert Julia: „Wenn ich mich mit der Situation in der Nachbarabteilung beschäftige, springt der negative Funke zu mir über. Andersherum: Wenn wir in meiner Abteilung positiv gestimmt bleiben, hat dies vielleicht einen positiven Effekt auf die anderen. Auf alle Fälle aber auf mich.