Impuls

29.06.2021

Unsere inneren Anteile wahrnehmen




„Natürlich führe ich Selbstgespräche. Ich brauche halt auch mal einen Expertenrat.“ (unbekannt)




Zur Situation



Gudrun erzählt: „Ich werde im Herbst Oma und habe meiner Tochter angeboten, einige Tage Urlaub zu nehmen, um sie in der Anfangszeit zu unterstützen. Ich weiß doch: in dieser Situation ist man froh um jede helfende Hand. Am Telefon hat sie jedoch zu mir gesagt, dass sie das gar nicht möchte. Am Anfang wolle die junge Familie alleine sein. Das hat mich getroffen wie ein Blitz. Diese Ausladung macht mich wirklich traurig. Und ich frage mich: Wie kann ich mit diesen immensen Gefühlen in mir umgehen?“



Was dahinter steht: Die inneren Anteile




Wenn uns eine Situation trifft, identifizieren wir uns für gewöhnlich mit diesem Gefühl: „Ich bin traurig. Ich bin wütend. Ich bin verletzt…“ Das Gefühl nimmt uns voll und ganz ein – quasi mit Haut und Haar. Das führt dazu, dass wir uns nicht ins Verhältnis zu diesem Gefühl setzen können, was wiederum das Ohnmachtsgefühl in uns bestärkt. Für gewöhnlich unterdrücken oder ertränken wir diese Gefühle, lenken uns ab oder lassen sie an anderen aus. Was helfen kann, ist die Vorstellung, dass wir aus verschiedenen Anteilen bestehen. Wenn Sie sich in einer Situation befinden, in der Emotionen auftauchen, macht es einen Unterschied, ob Sie sagen: „Ich bin…“ oder ob sie sich sagen: „Hoppla, da ist ein Anteil in mir, der fühlt sich im Moment übergangen, wütend, traurig etc.“



Ich frage Gudrun: „Stelle dir vor, dein Enkelkind tut sich weh: Was würdest du tun?“ – „Es in den Arm nehmen und trösten.“ – „Du würdest ihm also mit Mitgefühl begegnen?“ Gudrun nickt. „Wenn du dir vorstellst, dass dein Gefühl wie ein inneres Kind ist, kannst du diesen Anteil in dir trösten. Auf diese Weise trittst du als Erwachsene in Beziehung zu deinem inneren kindlichen Anteil.“



In drei Schritten zu mehr innerer Freiheit



So kann es gelingen, mit dem Gefühl in Kontakt zu kommen und innerlich freier zu werden:
  1. Wenn Sie Emotionen wahrnehmen, machen Sie sich bewusst, dass es sich um einen inneren Anteil handelt.
  2. Akzeptieren Sie, dass dieser Anteil sich im Moment meldet. Dafür gibt es einen Grund.
  3. Dann können Sie fragen: „Warum meldest du dich? Was brauchst du jetzt?“ Braucht das innere Gefühl oder der innere Anteil einfach nur Verständnis? Oder vermittelt dieser Anteil in Ihnen einen Handlungsimpuls?
Wenn Sie zukünftig derartig mit Ihren Emotionen umgehen, gewinnen Sie dadurch an… Der Vorteil liegt darin, dass Sie innerlich an Distanz und Freiheit gewinnen. Und Sie erkennen mit der Zeit, dass sich neben dem vorherrschenden Anteil noch weitere befinden, die sich ebenfalls melden – allerdings meist nicht so vehement.



„Das stimmt“, sagt Gudrun. „Ein Anteil in mir hat ja Verständnis für meine Tochter. Ich kann ihren Wunsch nachvollziehen, erst mal geschützt zu sein.“ – „Also existieren in dieser Situation zumindest zwei Anteile in dir, die sich zu Wort melden und gemischte Gefühle in dir auslösen. Und was gedenkst du jetzt zu tun?“, frage ich Gudrun. „Ich werde wohl nochmals mit ihr reden und ihr sagen, dass ich sie einerseits verstehen kann und dass es mich auf der anderen Seite traurig macht und verletzt.“


Hierzu eine kleine Übung




  • Wenn Sie vor dem Dienstplan stehen und sich denken: „Das darf doch nicht wahr sein…“
  • Wenn die Kollegin den Raum verlässt in dem Moment, in dem Sie das Wort ergreifen…
  • Wenn jemand Sie zu Unrecht kritisiert…
…welche Anteile melden sich dann in Ihnen?




Fazit



Sie finden, das klingt seltsam? Probieren Sie es doch einmal aus und sehen Sie es als spielerisches Experiment. Vielleicht erkennen Sie, dass manche Anteile sich in gewissen Situationen immer wieder melden. Dadurch lernen Sie sich besser kennen. Ach ja: Sie brauchen keine Angst davor haben, verrückt zu werden. Selbstgespräche zu führen ist ganz normal. Und wenn Sie keine Angst davor haben, verrückt zu werden, können Sie Ihren inneren Anteilen humorvolle Namen geben und ein Aussehen. Das macht sie griffiger und nimmt der Dramatik den Stachel.




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